Die wichtigsten Fragen und Antworten zur schwierigen Situation der beiden Krankenhäuser: Tiefrote Zahlen, problematische Bedingungen, neues Gutachten und mögliche Kooperation
Von Tobias Zell
Die Pfaffenhofener Ilmtalklinik-GmbH mit ihren Krankenhäusern in Pfaffenhofen und Mainburg rückt wieder einmal ins (politische) Rampenlicht. Der Fehlbetrag, der aus Steuergeldern auszugleichen ist, fiel im vergangenen Jahr deutlich höher aus als geplant. Die Umstrukturierungs-Maßnahmen von Geschäftsführer Marcel John schlagen sich noch nicht im Betriebsergebnis nieder. Die Rahmenbedingungen werden nicht einfacher und die Zeit drängt.
Die führenden Kreispolitiker fordern eine Senkung des Defizits. Nicht zuletzt, weil ja auch eine 70 Millionen Euro teure Generalsanierung ansteht, die den Landkreis Pfaffenhofen zusätzlich um die 20 Millionen Euro kosten wird. Jetzt soll ein externer Gutachter den eingeschlagenen Kurs der Klinik-GmbH und die wirtschaftliche Situation unter die Lupe nehmen. Auf dem Prüfstand steht scheinbar alles. Wenn möglich, sollen die Ilmtalkliniken in kommunaler Hand bleiben, wird betont. Eine Kooperation mit einem größeren Haus schließt man allerdings ausdrücklich nicht aus. Damit ist klar: Die Eigenständigkeit der beiden Krankenhäuser ist ungewiss. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zur aktuellen Lage zusammengestellt.
Warum kommt das Thema „Zukunft der Ilmtalklinik“ gerade jetzt auf?
Am Samstagvormittag trafen sich die Fraktionssprecher des Pfaffenhofener Kreistags zu einer Klausur-Sitzung – einziges Thema war die wirtschaftliche Entwicklung der Ilmtalkliniken. Die Fraktionschefs hatte bereits im Januar ein frühzeitiges Informationsrecht reklamiert. Weil die Beratungen für den Kreishaushalt 2016 bevorstehen und weil der Landkreis Pfaffenhofen als Hauptgesellschafter den Löwenanteil des Defizits ausgleichen muss, das die Klinik-GmbH macht. Bei dieser 3,5-stündigen Klausur kamen die brandaktuellen Zahlen des Jahres 2015 auf den Tisch. Dann wurde intensiv über die Kosten- und Leistungsentwicklung diskutiert. Und es geht weiter: Am Mittwoch tagt der Aufsichtsrat.
Wie schlecht sind die Zahlen?
Die Ilmtalklinik-GmbH mit ihren beiden Krankenhäusern in Pfaffenhofen und Mainburg hat das vergangene Jahr wirtschaftlich massiv schlechter abgeschlossen, als laut der ohnehin schon deutlich nach unten korrigierten Prognose zu befürchten war. Wie Landrat Martin Wolf (CSU) und Klinik-Chef Marcel John am heutigen Montag bekanntgaben, steht aus dem operativen Geschäft ein Minus von rund 5,1 Millionen Euro zu Buche. Erst im November hatte John erklären müssen, dass man das Geschäftsjahr 2015 aller Voraussicht nach mit einem höheren Defizit abschließen werde, als ursprünglich kalkuliert. Statt dem eigentlich geplanten Minus von 3,05 Millionen Euro prognostizierte er damals ein Defizit von 4,18 Millionen Euro aus dem laufenden Betrieb. Dieser Fehlbetrag hat sich nun noch einmal um rund eine Million Euro erhöht.
Was bedeutet das?
Zunächst einmal, dass es um die Wirtschaftlichkeit der Klinik-GmbH auch weiterhin schlecht bestellt ist. Man steckt in den tiefroten Zahlen. Und das wird wohl auch erst einmal so bleiben. Für heuer erwartet John aus dem laufenden Betrieb ein Minus in der Bandbreite zwischen 3,7 und fünf Millionen Euro – das hängt auch von den Patienten- und Leistungszahlen ab. Angestrebt werde ein Defizit von „deutlich unter fünf Millionen Euro“, sagte John heute bei einem Pressegespräch. Zur Einordnung des Klinik-Defizits: Die Stadt Pfaffenhofen zahlt für ihr Freibad jedes Jahr um die 700 000 Euro drauf.
Wer zahlt das Klinik-Defizit?
Die Klinik-GmbH hat zwei Gesellschafter. Der Landkreis Pfaffenhofen hält 85 Prozent, der Kreis Kelheim 15 Prozent. Sie haben auch das Defizit aufzufangen – und zwar entsprechend ihrer Geschäftsanteile. Letztlich sind es Steuergelder, mit denen das Minus ausgeglichen werden muss, das die beiden Krankenhäuser erwirtschaften. Dafür liegen die Kliniken in kommunaler Hand und die Politiker der beiden Kreise können die Entscheidungen treffen.
Kann das finanziell so weiter gehen?
Auf Dauer nicht, signalisiert der Pfaffenhofener Landrat Wolf, der auch Chef des Klinik-Aufsichtsrats ist. Das Landratsamt hat heute im Nachgang der Klausur eine Pressemitteilung veröffentlicht, die schon in der Überschrift klar macht, was Sache ist: „Kreistagsfraktionen fordern Defizit-Senkung.“ Das operative Minus müsse spürbar reduziert werden. Ein Gesamtzuschuss von jährlich sieben Millionen Euro sei im Pfaffenhofener Kreishaushalt „keinesfalls über mehrere Jahre zu stemmen“, so die Sichtweise der Fraktionschefs. Diese sieben Millionen Euro berechnen sich aus dem aktuellen Defizit von fünf Millionen aus dem laufenden Betrieb und den geschätzten 20 Millionen, die der Landkreis für die geplante Klinik-Sanierung – über zehn Jahre verteilt – aufbringen muss.
Wie viel Minus will man wie lange in Kauf nehmen?
Eine konkrete Zahl und einen zeitlichen Rahmen nannte Wolf nicht – diesbezüglich gebe es noch kein politisches Votum. „Das müssen die Kreisräte entscheiden“, so der Landrat. Er verwies grundsätzlich darauf, dass die Erhöhung des Kreisumlage-Hebesatzes um einen Punkt dem Landkreis etwa eine Million Euro pro Jahr zusätzlich einbringt. Im Moment zeichne sich aber keine Mehrheit für eine deutliche Erhöhung der Umlage ab, so Wolf.
Was ist das Problem bei der Kreisumlage?
Über die Kreisumlage finanzieren die Gemeinden zum Großteil den Landkreis, dessen Projekte, Personal und Investitionen. Und damit auch die Klinik. Konkret ist dazu Folgendes zu sagen. Zum einen hat man sich politisch bereits darauf verständigt, die Kreisumlage heuer nicht zu erhöhen. Zweitens ist nächstes Jahr Landratswahl – und da wird vermutlich keine Partei, die einen Kandidaten stellt, für eine unpopuläre Erhöhung werben. Drittens könnte es Widerstand aus den nördlichen Landkreis-Gemeinden geben, denn die Frage ist: In welchem Maße sind die bereit, weiterhin das hohe Defizit der Ilmtalklinik über die Kreisumlage auszugleichen, obwohl ihre Bürger schon wegen der Nähe eher ins Ingolstädter Klinikum gehen. Und viertens gilt generell: Jeder Euro, den die Gemeinden an den Landkreis überweisen müssen, steht ihnen nicht mehr für eigene Investitionen zur Verfügung. Andererseits ist der Pfaffenhofener Kreisumlage-Satz fast sensationell niedrig.
Welche Gründe gibt es für das massive Klinik-Defizit im vergangenen Jahr?
Vor allem wurden die schwierigen Aufbau- und Umstrukturierungs-Maßnahmen zur Umsetzung der neuen medizinischen Schwerpunkte genannt. So sind nach den Worten von John im Rahmen des Personalaufbaus im vergangenen Jahr allein zwei Millionen Euro an Kosten für Honorarkräfte angefallen. Zudem seien im letzten Quartal des abgelaufenen Jahres in einzelnen Abteilungen Leistungseinbrüche zu verzeichnen gewesen: Laut John lag der Ertrag deshalb in diesen drei Monaten etwa 800 000 Euro unter dem Ansatz – warum, das müsse man noch genauer eruieren. „Wir haben ein neues Leistungsproblem“, so Wolf. Außerdem bekommen die Kliniken – wie berichtet – so genannte Mehrleistungen, die erbracht werden, von den Krankenkassen nur teilweise erstattet.
Landrat Martin Wolf (links), Klinik-Geschäftsführer Marcel John.
Was sagt John zu den schlechten Zahlen?
John ist seit Mai 2014 Geschäftsführer der Ilmtalklinik-GmbH. Er wurde geholt, um die Weichen zu stellen, das Defizit zu reduzieren und die beiden Krankenhäuser fit für die Zukunft zu machen. Er selbst spricht von einem „sehr schwierigen Umstrukturierungs-Prozess“. Man habe bereits sehr viele Veränderungen vorgenommen. Das aktuelle Problem formuliert er so: „Die Früchte dieser Arbeit sind noch nicht zu sehen.“ In Euro jedenfalls nicht.
Wie geht es weiter?
Die Zeiten werden nicht leichter. Das neue Krankenhausstrukturgesetz, das ab 2017 wirksam wird, bringt weitere Verschärfungen, die Mehrleistungsabschläge steigen dann zum Beispiel noch einmal deutlich an. Auf der Ausgabenseite spart die Klinik aber laut John künftig, weil man die genannten Honorarkräfte, die zur Überbrückung nötig waren, jetzt kaum mehr benötigt. Im Vergleich zu fest angestellten Ärzten kosten solche Honorarkräfte seinen Angaben zufolge das Drei- bis Vierfache. Gespart werde auch durch den zentralen Einkauf über die Klinik-Allianz. Vor allem aber hofft man freilich darauf, dass sich auch die Einnahmen-Seite positiv entwickelt – durch die Wirksamkeit der medizinischen Strategie, die John entwickelt hat und die neue Abteilungen sowie Spezialisierungen vorsieht, um die Klinik für die Zukunft zu positionieren.
Was hat es mit dem Gutachten auf sich?
Die Fraktionssprecher haben sich darauf verständigt, das vom Aufsichtsrat angeblich bereits ohnehin vorgesehene Entwicklungsgutachten nachdrücklich zu unterstützen, wie verlautete. „Der Kurs und die Finanzsituation der Ilmtalkliniken sollen einer kritischen Betrachtung unterzogen werden, insbesondere auch mit Blick auf die generelle Perspektive der Kliniken im Rahmen des ab 2017 wirksamen Krankenhausstrukturgesetzes“, erklärte Wolf dazu. In die Betrachtung einbezogen werden soll auch die Option einer Kooperation mit einer größeren Klinik. Dieses Gutachten werde als „Unterstützung der Geschäftsführung“ gesehen; Ergebnisse erwarte man bis Anfang Juni.
Hat man schon einen Kooperationspartner im Fokus?
Natürlich gebe es „ein paar natürliche Blickwinkel“, sagte Wolf, ohne Namen zu nennen. Man denkt freilich ziemlich schnell an das Ingolstädter Klinikum. Der Landrat will das Thema aber grundsätzlich gesehen wissen – auch in Zusammenhang mit dem Gutachten. Aktuell liegen seinen Worten zufolge keine konkreten Kooperations-Angebote vor und man selbst habe diesbezüglich auch noch keine Aktivitäten unternommen. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass man bereits vor dem Abschluss des Gutachtens Gespräche führen werde, so Wolf. Zugleich betonte er, die Expertise solle ergeben, „ob wir in alleiniger Hand eine Chance haben“ – sprich: Ob es die Ilmtalkliniken ohne Kooperationspartner und somit weiterhin eigenständig schaffen können.
Kommt auch ein privater Klinik-Träger in Frage?
„Zum jetzigen Zeitpunkt kann man nichts ausschließen“, sagte Wolf heute. Diese Variante ist also durchaus möglich, auch wenn der Wunsch gegebenenfalls ein anderer wäre. Die Fraktionssprecher sehen es laut Pressemitteilung sowie folgt: „Die ortsnahe Krankenhausversorgung an den Standorten Pfaffenhofen und Mainburg soll – möglichst in kommunaler Hand – gesichert werden.“ Entscheidend ist dabei das Wort „möglichst“.
Droht dem kleinen Krankenhaus Mainburg das Aus?
Die Klinik Pfaffenhofen hat 220 Betten, die in Mainburg 100. Der Gutachter überprüft laut Wolf die Perspektiven der Klinik-GmbH auf Basis der beiden Standorte und leitet entsprechende Empfehlungen beziehungsweise Konsequenzen ab. Es gebe aber keine „Untersuchungsverbote“. Wolf selbst will zum jetzigen Zeitpunkt nicht über die Standort-Frage spekulieren, sagte er auf Nachfrage.
Bleibt John Geschäftsführer?
Er hat einen unbefristeten Vertrag mit sechsmonatiger Kündigungsfrist. Dass nun ein externes Gutachten in Auftrag gegeben wird, um seinen Kurs – und damit ja letztlich auch seine Arbeit – unter die Lupe zu nehmen, kann John verstehen. „Dass in solchen Situationen immer ein gewisses Misstrauen da ist, ist klar“, sagte er heute. Er arbeite sehr gerne hier und wolle das auch nicht leichtfertig aus der Hand geben. Aktiv auf Jobsuche sei er jedenfalls nicht. John glaubt nach wie vor, dass er seine Mission erfüllen kann – „wenn wir die Zeit bekommen“. Nicht zuletzt mit Blick auf die ab 2017 neue Gesetzeslage weiß er aber: Heuer wird ein entscheidendes Jahr. Möglicherweise auch für ihn selbst.
Ist das die größte Krise in der Geschichte der Ilmtalklinik?
Das will Wolf nicht konkret beantworten. „Wir haben sehr viel Klärung erfahren“, sagt er ausweichend und verweist auf das neue, umfangreiche Datenmaterial, das man unter John gewonnen habe. Man könne nun auf einer sehr guten Datenbasis überlegen, wie es weiter geht. Das sei eine „andere Qualität der Diskussion“. Zur aktuellen Lage sagt der Landrat: „Wir haben uns gewünscht, dass wir weiter wären.“ Und mit Verweis auf das letzte Quartal 2015 meint er: „Wir haben ein neues Leistungsproblem.“
Sind jetzt Arbeitsplätze in Gefahr?
„Aus meiner Sicht nicht“, sagte John heute. Er verweist aber darauf, dass diese Einschätzung gilt, bis das externe Gutachten vorliegt. In der Tat zeichnet sich bereits jetzt ab, dass dieses Gutachten einen Meilenstein in der Geschichte der Klinik bilden könnte – möglicherweise sogar mit über deren Zukunft entscheidet.
Wird angesichts der unklaren Zukunft die Generalsanierung des Pfaffenhofener Krankenhauses überhaupt angepackt?
Die Planungen für das 70-Millionen-Euro vorhaben sollen auf jeden Fall erst einmal unverändert weitergeführt werden, sagte Wolf auf Anfrage unserer Zeitung. Die Zielplanung und der Antrag auf Aufnahme ins Förderprogramm wurden ja bereits eingereicht. Den Bescheid aus München erwarte man diesen Sommer. Anschließend will man – so der letzte Stand – die Generalsanierung so schnell wie möglich vorantreiben. Im Idealfall könnte im kommenden Jahr mit dem Mega-Projekt begonnen werden.
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